Schönherr-Webmaschinenfabrik Chemnitz

Architektur, Ausbau, Denkmal, Konzept, Projekte, Sanierung, Umbau, Umnutzung

UMNUTZUNG DER WEBMASCHINENFABRIK SCHÖNHERR IN CHEMNITZ ZU EINER KULTURFABRIK
Masterplan und Umbau Haus 3 + Haus 8a (Alte Mühle) bei Enno Schneider Architekten

Der Masterplan

Grundgedanke des Entwurfes ist es, die historische Fabrikanlage mit ihren positiven Standort-Faktoren, insbesondere die beeindruckende, unter Denkmalschutz stehende Industriearchitektur mit ihrer Lage zwischen Schönherrpark und Chemnitzaue durch eine Nutzungsmischung von Sport, Freizeit, Einzelhandel, Handwerk und Kultur zu revitalisieren, die typischen Merkmale dieser Architektur zu erhalten und damit eine Anlage eigener Identität zu schaffen.

Das Rückgrat

Über den zentralen Platz im Osten erreicht man die verschiedenen Bereiche: das Bowling-Zentrum mit Parkhaus, den Zentralbereich mit dem Einzelhandel- und Freizeitangebot und das Atelier-Haus. Eine zentrale Erschließungsachse im Bereich der Gebäude 9 und 11 in Verbindung mit einer Glas-Überdachung der Innenhöfe bildet das Rückgrat der künftigen Anlage; von hier aus erreicht man die einzelnen Nutzungseinheiten, auch die Obergehschosse sind von hier aus über Treppen und Brücken erreichbar.

Neu und Alt

Die historische Architektur wird ergänzt durch die Zubauten für die neuen Nutzungen, das Miteinander von neu und alt wird wichtiges Architektur-Thema. Freiflächen unterschiedlichster Qualität ergänzen das Angebot, vor dem Turm im Kulturbereich bietet ein Event-Platz die Möglichkeit für Open-Air-Veranstaltungen, Märkte und Ähnliches; der Handwerkerhof erlaubt das Arbeiten im Freien.

Realisierung – Der 1. Bauabschnitt

Der erste Bauabschnitt sieht den Umbau und die Sanierung der beiden zur Schönherrstraße und zum Schönherrpark ausgerichteten Gebäude 3 und 8a, wobei dem Gebäude 8a , der Alten Mühle als ältestem Gebäude der Anlage besondere Bedeutung zukommt.

Die Alte Mühle – Haus 8a

Der ehemaligen, einst frei stehenden Wassermühle aus dem 17. Jh., dem ältesten Gebäude am Standort, gebührte besondere Beachtung des Denkmalschutzes. Der große Kamin auf der Rücksite des Gebäudes wurde erhalten, ebenso der große runde Fensterausschnitt im Dachgeschoss. Zur weiteren Belichtung der Dachfläche wurden mehrere Oberlichte und eine straßenseitige Gaube eingefügt.
Aufwendige restauratorische Untersuchungen gaben die Farbgestaltung der Wandflächen und Fenster vor.
Diverse Vorschläge zur Fenstergestaltung – hierüber gab es keine historischen Aufzeichnungen – wurden erarbeitet, die Denkmalpflege verlangte eine konventionelle Lösung. Die vorgefundenen Porphyrstein-Elemente wie die Gewände der Fenster wurden als wesentliches Gestaltungselement des Gebäudes gereinigt und erhalten.
Die stark unterdimensionierte Statik des Gebäudes – die Holz-Unterzüge, durch Zwillingsholzstützen getragen, wurden schon frührt durch provisorische Stiele unterstützt – konnte mittels zusätzlicher Stahlstützen erhalten werden. Zahlreiche Feuchteschäden, ein heftiger Setzungsriss sowie der Hausschwamm im Dachgeschoss galten beseitigt zu werden.
Durch vielfache Anbauten von weiteren Produktionsflächen an das Gebäude um die Jahrhundertwende war das Gebäude nur noch zu zwei Seiten belichtet. Die niedrigen Geschosshöhen bei erheblichen Raumtiefen waren schlechte Voraussetzungen für die Belichtung und gaben den Anlass zum Entfernen mittiger Deckenfelder. Dadurch entstanden großzügige lichte Flächen, immer zwei Geschosse über Spindeltreppen zusammengefasst.
Die besonders bearbeiteten Naturstein-Treppenstufen in dem vorhandenen und weitergenutzten Treppenhaus wurden freigelegt und erhalten. Lediglich die ins Dach führende Holzstiege haben wir durch eine neue Treppenkonstruktion als Einholmtreppe mit gefalteten Blechstufen ersetzt.
Alle neuen Elemente sind als saubere Stahlkonstruktionen sichtbar in die vorhandene Konstruktion eingefügt und sprechen unzweifelhaft die Sprache ihrer Zeit, treten nicht in Konkurrenz zu dem Vorhandenen, sondern steigern dessen Reiz, der in den Spuren seiner Lebensgeschichte steckt.
Das Gebäude 8a, die alte Mühle, mit einer Nutzfläche von 690 m2, ist das älteste Gebäude am Standort und wurde sehr aufwendig unter Beachtung des Denkmalschutzes saniert. Alte Lehmdecken entstanden neu, die gesamte tragende Balkenkonstruktion konnte erhalten werden.

Haus 3 – Der ehemalige Werkzeugbau

Das denkmalgeschützte Gebäude der Jahrhundertwende, der ehemalige Werkzeugbau umfasst 950 m² Nutzfläche. Aufgrund jahrelang unterlassener Instandhaltungsmaßnahmen waren wesentliche Teile des Holztragwerks zerstört. Besonderheit des Gebäudes war die nahezu vollflächige Berankung mit altem Wein. Während der Bauphase wurden die Weinranken kurzgeschnitten und abgeklappt. Heute trägt eine Pflanze wieder Früchte.
Zum Zeitpunkt der Planung waren zukünftige Mieter nicht bekannt, das Gesamt-Nutzungskonzept sah für das Gebäude eine gewerbliche Nutzung vor. Um die Teilungsmöglichkeiten möglichst flexibel zu halten, wurden punktuelle Installationen vorgegeben und mehrere verschiedene Zugänge vorgesehen. Der nebenstehende stark beschädigte, eingeschossige Baukörper wurde zugunsten einer neuen Treppenkonstruktion hinter Glasfassade aufgegeben.
Das Erdgeschoss, eine freie Fläche mit doppelreihiger Stützenkonstruktion aus stahlummantelten Holzstützen mit Stahlunterzügen sollte maximal dreimal geteilt werden. Um die Hallenwirkung zu erhalten, haben wir mittig zwischen den Stützenreihen an drei verschiedenen Punkten frei eingestellte „Installations-Eier“ zur Aufnahme von Toiletten und Teeküchen geplant.
Im Obergeschoss wurden zunächst die nicht originalen Trennwände entfernt und die doppelreihige Holzstützenkonstruktion mit verzierten Sattelhölzern unter Holzbalken-Unterzügen freigelegt. Ebenso wie im Erdgeschoss wurden auch hier drei „Installations-Eier“ eingeplant.
Um die Baukosten möglichst niedrig zu halten und die Vorteile der Brandschutz-Vorschriften für Gebäude geringer Höhe auszuschöpfen verzichteten wir auf einen Ausbau des Daches. Um jedoch die Obergeschoss-Flächen zusätzlich mit Oberlicht zu versorgen, wurden zwei Galerien mit Lufträumen eingefügt, die über schmale Stahl-Einholmtreppen zu erreichen sind.
Die Porphyr-Gesimse wurden freigelegt und gereinigt. Das Dach erhielt eine neue Schiefer-Eindeckung.
Durch gründlich überlegte Sanierungsmassnahmen und Teilerneuerungen konnte der gesamte Dachstuhl und wichtige Teile der Balkenkonstruktion erhalten werden. Es wurden Lehmdecken erneuert und die gesamten Räume mit modernster Infrastruktur ausgestattet. Heute nutzen das Gebäude Künstleragenturen, Pflegeservice, Innenarchitekten, IT-Unternehmen und Haardesigner.

 

Bauherr
 Schönherr Chemnitzer Webmaschinenbau GmbH
Entwurf
 Katharina Jester + Enno Schneider
Umsetzung
 Katharina Jester, Andreas Ressel, Enno Schneider
Planung
 1999-2000
Fotos
 www.schoenherrfabrik.de,
 Katharina Jester,
 Enno Schneider