JACOB-UND-WILHELM-GRIMM-ZENTRUM BERLIN
Neubau der Zentralbibliothek der Humboldt-Universität,
Wettbewerb 2004
„Kühnen und Wagenden steht ungesehen das Glück bei, plötzlich ist etwas geraten.“
Jacob Grimm
Städtebauliches Konzept
Durch Aus- und Einfaltung reagiert der solitäre Bibliotheksbaukörper spannungsvoll auf den heterogenen Kontext des Umfeldes. Dabei nimmt sich die Gebäudemasse gegenüber einem orthogonal aufsteigenden Gebäude gleicher Größe optisch sehr zurück.
Der Baukörper ergibt sich logisch aus dem Stadtgrundriss. Er grenzt an die vorhandene Bebauung im Norden den Block schließend und in der Höhe angepasst an, hebt dabei schmuckvolle Details des Bestandes hervor. Zur Bahnlinie im Süden entfaltet er sich und setzt mit der Auskragung zur Universitätsstraße hin einen städtebaulichen Akzent und betont die vorhandene „Universitätsachse“.
Hier befindet sich deutlich ablesbar der Haupteingang. Durch das Zurücktreten des Gebäudes in den unteren Geschossen bildet sich ein einladendes und geschütztes Entrée aus. In der Planckstraße wird der Blick auf das prächtige Nachbargebäude frei gegeben durch den Platz, der sein Pendant gegenüber am Metropol-Theater finden kann. Darüber faltet das Gebäude einen weiteren Akzent aus, reckt sich in Richtung Bahnhof Friedrichstraße. Hier befindet sich der zweite Eingang.
Idee
Die Idee zu dem Baukörper ergibt sich aus seiner Nutzung: Die Transformation des bedruckten und gefalteten Blattes Papier zur Hülle des Wissensspeichers schafft einen hohen Grad an Identität. Die Bibliothek zeigt sich nach außen sowohl als moderne und innovative Stätte der Informationsversorgung als auch als traditionsreicher Ort des Lernens und Forschens.
Fassaden
Die Fassaden bestehen aus mit den großen Zeichen o + l, die als Metaphern für Wissen, Medien und Kommunikation stehen, geätzten Glasflächen. Diese streuen das diffuse Licht tief in die Flächen, alternierend mit – wo nötig – geschlossenen Betonflächen.
Zwei große Lichthöfe im Inneren versorgen das Gebäudezentrum mit Tageslicht und bilden zusammen mit den beiden Erschließungs- und Versorgungstürmen markante Orientierungshilfen.
Erschließung
Das Gebäude erschließt sich über die beiden erwähnten Eingänge in ein großzügiges Foyer mit allen notwendigen Einrichtungen. Durch eine vertikale Zweiteilung des Gebäudes sind extrem kurze Wege und eine effiziente Buchtransportanlage möglich.
Über eine Rolltreppenanlage im Kern des einen Lichthofes gelangt der Hauptstrom der Besucher in die Magazine im Souterrain oder in die oberen Geschosse mit Freihandbereich, Sondersammlungen und PC-Pool. Diese Abteilungen sind im östlichen Gebäudeteil übereinander gestapelt und können auch von behinderten Besuchern barrierefrei über den Aufzug erschlossen werden. Der interne Bereich befindet sich – ebenfalls gestapelt – im westlichen Bereich mit eigenem Erschließungsturm.
Innenraumqualitäten
Ihren Höhepunkt finden die Besucherbereiche im lichtdurchfluteten Lesesaal, in dem südöstlich in den Obergeschossen auskragenden Gebäudeteil. Die hier angeordneten Lese-/Arbeitsplätze ermöglichen dem Nutzer ein hohes Maß an Konzentration, Kontemplation und Wohlbefinden.
Die zu dem großen Innenhof gerichteten internen Arbeitsräume sind gut belichtet und natürlich belüftet, ohne Lärm von der Bahnlinie eindringen zu lassen.
Die außen liegenden Deckenbereiche über dem Souterraingeschoss werden über eine lichtleitende Glasfaser-Beton-Konstruktion mit Tageslicht versorgt.
Baukonstruktion
Das Gebäude wird als Stahlbeton-Konstruktion errichtet.
Konventionell gestapelte gleichartige Geschosse ohne statisch wirksame Trennwände sorgen für größtmögliche Flexibilität. Die Stützenanordnung folgt der Gebäudegeometrie. Brandwand, Versorgungskerne und zwei Außenwandscheiben, werden mit Stäben und Deckenscheiben so verbunden, dass die Standsicherheit gewährleistet ist. Die im Grundriss mancherorts raumgreifend schrägen statischen Glieder müssen in Kauf genommen werden.
Stützenfreiheit im Foyer wird erreicht durch das Abhängen der darüberliegenden Deckenbereiche in allen Geschossen.
Die hohen Lasten werden über Pfähle in den Baugrund abgetragen.
Haustechnische Installationen werden verdeckt unter den Decken geführt.
Die Medienversorgung verläuft auf der Deckenoberseite. Der Einsatz zukunftsweisender Technologien wie Wireless Lan wird in großen Bereichen ein hohes Maß an Flexibilität ermöglichen.
Außenraum
Durch die Faltungen und die damit verbundenen Vor- und Rücksprünge ermöglicht das Gebäude spannungsvolle Räume im Inneren, aber auch für den Außenraum. Das Café bietet an schönen Tagen Erholungsplätze unter dem neu gepflanzten Baumcluster.
Ökologisches Konzept
Der kompakte Baukörper mit seinen großzügig verglasten Fassadenflächen und Lichthöfen versorgt das Gebäude mit viel Tageslicht. Die nach außen geneigten Fassaden bieten eine natürliche Verschattung vor der hoch stehenden Sommersonne, die flache Wintersonne kann tief ins Gebäude eindringen.
Das weiß satinierte Glas-Fassaden-System gewährleistet ein gleichmäßiges, blendfreies Licht von hoher Leuchtstärke über eine große Raumtiefe. Die nach Süden geneigten, verglasten Dachflächen werden mit Fotovoltaik-Elementen ausgestattet, die einen Teil des benötigten Strombedarfs des Gebäudes decken, gleichzeitig als Sonnenschutz dienen.
Das Regenwasser aller Dachflächen wird in der untersten Traufkante im rückwärtigen Brandwandbereich gesammelt und als Brauchwasser verwendet
Die Bibliothek wird über ein geothermisches Heizsystem versorgt. Die Pfähle der Gründung werden gleichzeitig zur Erdwärmenutzung herangezogen. Mittels einer Wärmepumpe wird die Erdwärme im Winterfall zur Gebäudewärmung genutzt, im Sommerfall dient die gleichmäßige Erdtemperatur zur Kühlung. Für Spitzen in der Heizperiode wird das Gebäude zusätzlich an das vorhandene Fernwärmenetz angeschlossen.
Ein Großteil der Räume wird über die Höfe weitgehend natürlich belüftet, lediglich die zur S-Bahn ausgerichteten Räume werden aus Gründen des Schallschutzes mechanisch über eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung versorgt.
Die Freihandbereiche werden zugfrei und gesundheitlich völlig unbedenklich mit Quellluft versorgt. Bei niedriger Frequentierung im Winter gewährleistet eine Bauteilheizung die Temperierung der Räume. Verbrauchte Luft wird kombiniert mechanisch und natürlich abgeführt, zur optimalen Auslegung der Maschine.
Kosten
Das Gebäude kann innerhalb des geforderten Kostenrahmens errichtet werden.
Wettbewerb 2008 Entwurfsteam Katharina Jester, Andreas Ressel, Elsabeth Biderbick Ergebnis 2. Rundgang